Bundestag und Bundesrat beraten das Dritte Pflegestärkungsgesetz

Der Deutsche Bundestag hat heute in erster Lesung den Entwurf eines „Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) beraten. Im Bundesrat findet heute ebenfalls der erste Durchgang des Gesetzentwurfs statt.

Nach der Ausweitung der Leistungen durch das Erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) werden durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) zum 1. Januar 2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt. Damit erhalten erstmals alle Pflegebedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung – unabhängig davon, ob sie an körperlichen Einschränkungen leiden oder an einer Demenz erkrankt sind. Im Begutachtungsverfahren wird künftig vor allem der Grad der Selbständigkeit ermittelt. Die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen steigen damit in dieser Wahlperiode um 20 Prozent. Das entspricht rund fünf Milliarden Euro jährlich.

Das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) stärkt die Pflege vor Ort. Damit werden Empfehlungen umgesetzt, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet hat. Außerdem werden die Kontrollmöglichkeiten verschärft, um Pflegebetrug noch wirksamer zu verhindern und damit Pflegebedürftige, ihre Angehörigen, aber auch die Versichertengemeinschaft noch besser davor zu schützen.

Die wichtigsten Regelungen im Einzelnen:

  • Die Pflegekassen werden verpflichtet, sich an den Ausschüssen vor Ort und auf Landesebene, die sich mit regionalen Fragen in der Pflege oder sektorenübergreifender Versorgung beschäftigen, zu beteiligen. Sie müssen zudem Empfehlungen der Ausschüsse, die sich auf die Verbesserung der Versorgungssituation beziehen, künftig bei Vertragsverhandlungen einbeziehen.
  • Um das Netz der Beratungsstellen weiter auszubauen, sollen Kommunen für die Dauer von fünf Jahren ein Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten erhalten, wenn sie sich angemessen an den entstehenden Kosten beteiligen. Darüber hinaus sollen die Kommunen künftig Beratungsgutscheine für eine Pflegeberatung einlösen können und ergänzend zu ihren eigenen Aufgaben auch Bezieher von Pflegegeld beraten können.
  • In Modellvorhaben soll auf entsprechenden Antrag hin in bis zu 60 Kreisen und kreisfreien Städten zudem die „Beratung aus einer Hand“ durch kommunale Beratungsstellen für die Dauer von fünf Jahren erprobt werden. Die teilnehmenden Kommunen haben ein entsprechendes Konzept vorzulegen.
  • Kommunen sollen sich an Maßnahmen zum Auf- und Ausbau der Angebote zur Unterstützung und Entlastung im Alltag nicht nur mit Geldzahlungen, sondern auch in Form von Personal- oder Sachmitteln beteiligen können.
  • Auch im Recht auf Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) und im Bundesversorgungsgesetz (BVG) soll der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden. Mit den Änderungen im Sozialhilferecht wird sichergestellt, dass auch finanziell Bedürftige im Falle der Pflegebedürftigkeit angemessen versorgt werden.
  • Es werden klare Abgrenzungsregelungen an den Schnittstellen zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe geschaffen, die Kostenverschiebungen zwischen den beiden Systemen vermeiden. Geregelt wird, dass die Leistungen der Pflege gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe im häuslichen Umfeld grundsätzlich vorrangig sind, es sei denn, bei der Leistungserbringung steht die Erfüllung der Aufgaben der Eingliederungshilfe im Vordergrund. Außerhalb des häuslichen Umfelds gehen dagegen die Leistungen der Eingliederungshilfe den Leistungen der Pflege vor.
  • Um Abrechnungsbetrug in der Pflege konsequenter zu verhindern, erhält die Gesetzliche Krankenversicherung ein systematisches Prüfrecht: Auch Pflegedienste, die ausschließlich Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Auftrag der Krankenkassen erbringen, sollen zukünftig regelmäßig von den Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erfasst werden.
  • Abrechnungsprüfungen sollen von den Pflegekassen zudem künftig auch unabhängig von den Qualitätsprüfungen des MDK durchgeführt werden, wenn Anhaltspunkte für fehlerhaftes Abrechnungsverhalten vorliegen. Darüber hinaus soll die Pflegeselbstverwaltung in den Ländern gesetzlich verpflichtet werden, in den Landesrahmenverträgen insbesondere Voraussetzungen für Verträge festzulegen, durch die wirksamer gegen bereits auffällig gewordene Anbieter vorgegangen werden kann. Damit soll sichergestellt werden, dass sich beispielsweise kriminelle Pflegedienste nicht unter anderem Namen oder über Strohmänner eine neue Zulassung erschleichen können.
  • Zudem sollen bestehende Instrumente der Qualitätssicherung im Bereich der Pflegeversicherung weiterentwickelt werden. In die Stichproben bei den MDK-Prüfungen von Pflegediensten sollen auch Personen einbezogen werden, die allein Leistungen der häuslichen Krankenpflege erhalten. In der häuslichen Krankenpflege werden die Dokumentationspflichten der Pflegekräfte an die in der ambulanten Altenpflege bereits geltenden Pflichten angepasst.
  • Zudem wird die bestehende Verpflichtung der Pflegeselbstverwaltung, Qualitätsstandards für ambulante Wohngruppen zu erarbeiten, geschärft und mit konkreten Fristen versehen.

Das PSG III ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Es soll zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.

Berlin, 23. September 2016

Anmerkung unserer Interessengruppe:

Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass auch Jugendliche von diesen Einschränkungen betroffen sind. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht all‘ zu lange dauert, bis das Gesetz alle Instanzen passiert hat. Somit hätten auch betroffene Personen wieder Mut und Hoffnung, eine Perspektive.

Astrid Pötzsch

Kabinettsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes hat noch viele Baustellen und erfüllt uns mit Sorge

Das Bundeskabinett hat einen Entwurf zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention verabschiedet.

Anlass für Astrid Pötzsch und Reinhard Hinz, seines Zeichens Vorstandsmitglied im DVS („Richterbund“ Nord) und Mitglied im Sozialrechtsverband beim Bundessozialgericht und ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Schwerin sich gemeinsam auszutauschen.

Beide, Pötzsch, wie auch Hinz erfüllt die Tatsache, dass bestehende und neue Rechtsvorschriften nicht immer mit den von der UN- Behindertenrechtskonvention (Rechte von Menschen mit Behinderungen) gemachten verbindlichen Vorgaben im Kabinettsentwurf der Bundesregierung konsequent ihre nachhaltige Berücksichtigung finden, mit großer Sorge.

„Es genügt nicht, durch die Bundesregierung eine Behindertenbeauftragte  zu berufen und einen Aktionsplan entwickeln zu lassen. Was wir benötigen sind spürbare Beschlüsse, die durch bindende Vorgaben letztlich den Bund, die Länder und Kommunen  in die Pflicht nehmen. Die unsere Bürgerinnen und Bürger, besonders aber die betroffenen Menschen, nämlich Menschen mit den unterschiedlichsten Handicaps Hilfe und Unterstützung sind“, erklärt Protagonistin der Initiative  “Gemeinsam und Sozial” Astrid Pötzsch.

Es ist unerklärlich, warum zum Beispiel die Privatwirtwirtschaft so mit ‚Samthandschuhen‘ angefasst wird. Gerade die sind es doch, die auch auf diese Personengruppe als Arbeitnehmer angewiesen sind.

Darüber hinaus wird angemahnt, dass neben den sichtbaren Mängeln (Mediengestaltung – privat und öffentlich/rechtlich-  verbesserter Schutz gegenüber den Frauen in der Öffentlichkeit, Schluss mit den komplizierten Verwaltungsvorlagen,  die kaum jemand versteht, Maßnahmen zur Inklusion neu auf den Prüfstand usw., usf.) bereits bestehende überarbeitet werden müssen.

„Wir erwarten, dass die Vorhaben, so wie es der Kabinettsentwurf vorsieht,   ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention  mit Priorität spürbar in Angriff genommen werden. Wir möchten nicht den Eindruck bekommen, dass es sich um ein ‚Stückwerk‘ handelt,  ganz nach der Devise: Schön, dass wir mal wieder darüber gesprochen haben! Das haben unsere Menschen, besonders jene mit Behinderung nicht verdient“, erklärt der Sozialrechtler Reinhard Hinz abschließend.

  1. Timm

Stellungnahme zu der vom Bundesvorstand bezüglich des Pflegeberufsgesetzes abgegebenen Stellungnahme

Mit großer Verwunderung habe ich die Ergebnisse der ersten Lesung im Deutschen Bundestag zum „Pflegeberufegesetz zur Kenntnis genommen. Ich bin seit längerer Zeit ehrenamtlich in verschiedenen sozialen Projekten tätig und kann mir auf Grund dessen durchaus ein Urteil erlauben, ob nun der von der Bundesregierung angedachte Weg zur Verbesserung der Ausbildung in den 3 medizinischen Pflegeberufen der wirklich große Wurf ist.

Ich sage heute schon: Nein!

Zuerst einmal finde ich die Pflegeberufe sehr wichtig, ist doch teilweise allein durch die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger das Überleben pflegebedürftiger Menschen möglich. Dies trifft vor allem auf die Pflegeheime (auch teilweise etwas übertrieben als Seniorenresidenz – klingt auch besser – bezeichnet) zu, aber gilt auch für die ambulante Pflege, wo ohne diese Hilfe wohl der Alltag mancher Familien anders aussehen würde (z.B. eingeschränkte oder aufgegebene Berufstätigkeit mit ihren finanziellen Folgen). Es ist eine schwere körperliche Tätigkeit und sicher, auch je nach Persönlichkeit des Pflegenden, emotional belastend. Im Wesen der Pflege sind eben wirklich Hilfe bei der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme, der Mobilität und der Ausscheidungsproblematik dominierend und dazu braucht es nach meiner Meinung nicht unbedingt einen Fachschulabschluss. Sicher gehören auch die Beobachtung der Pflegenden, die Kontrolle der Vitalparameter ( Blutdruck, Puls usw.), das Erkennen von Notfallsituationen und das beherrschen Erster-Hilfe-Maßnahmen dazu. Aber auch das sind rasch und einfach zu lernende Aufgaben. Insgesamt, und ich sage das wertungsfrei, konnten auch Bewerber mit einem Hauptschulschluss gute Pflegekräfte werden. Hier stimme ich dem Regierungsentwurf zu, eröffnen sich in Zeiten eines großen Fachkräftemangels neue Perspektiven. Ganz wichtig ist es ja auch, ein Herz für die zu pflegenden Menschen zu haben und Empathie spielt sicher eine große Rolle. Dabei ist das Ziel der Pflege, den alten Menschen seine Uransprüche (Wärme, satt zu sein, keine Schmerzen zu haben und nicht allein zu sein?) gewährleistend bis zum Tod zu begleiten. Ein anderes Ziel hat die Pflege (nach meiner Meinung) nicht. Und dafür ist mir der vor Jahren geprägte Begriff der „Pflegewissenschaft“ schon viel zu hochtrabend und über das eigentliche Ziel hinausgehend. Das Ziel der Krankenpflege ist, und hier setzt meine Kritik am Regierungsentwurf an, den Menschen zu heilen, ihn wieder gesund zu machen bzw. Folgeschäden zu reduzieren. In diesem Zusammenhang sind die Anforderungen an das Personal deutlich höher, beginnend von der Kenntnis der Krankheiten, über das Ausführen von angeordneten Behandlungen bis teilweise zu selbständigen Untersuchungen (z.B. EEG oder EKG) und Eingriffen wie Blutentnahmen, im Spritzen, Katheterwechsel usw. Dabei sind natürlich auch Pflegemaßnahmen notwendig, aber eben weniger dominierend als in der Pflege direkt. Und bei der Kinderkrankenschwester kommt dann noch die ganze Spezifik des Kindesalters dazu. Wir haben immer gelernt, „…dass ein Kind kein kleiner Erwachsener ist…“ und so ganz nach eigenen, altersspezifischen Regeln versorgt werden muss. Man bedenke nur die Problematik der Frühgeborenen, aber auch der Säuglinge und Kleinkinder. Kurzum: Schon an Hand dieser Darstellungen sollte deutlich werden, dass es kaum einen so großen „Topf“ geben wird, der all diese Bildungsinhalte auffangen und dann lehrplangerecht gemeinsam umwandeln lässt. Jeder  Bereich für sich ist wichtig und darf nicht vernachlässigt werden. Aber der Lösungsansatz der Bundesregierung greift in das Reich der Träumereien. Und lässt sich überhaupt nicht umsetzen.

Was wird denn passieren, wenn das berufene Kontrollgremium nach 5 Jahren feststellt, dass die von Praktikern, Bildungsverantwortlichen und vielen Verbänden geäußerten Befürchtungen eingetreten sind? Alles zurück auf „Null“? Außer Spesen nichts gewesen?

Dieser Regierungsentwurf geht an den Realtäten weit vorbei. Wann endlich begreift man: „Der Mensch ist ein Generalist. Er kann alles, aber nichts gut“.  Und Regieren ist auch nicht einfach!

Astrid Pötzsch

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